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Glosse Nr.21 / 10. Oktober 2005

Tiefergelegt und gespoilert

Etwas Besonderes hatte er mir angekündigt, und ich dachte schon an ein Gratisticket für Terminator 2 der damals gerade durch die Kinos dröhnte. Gedröhnt hatte es dann auch als mein Arbeitskollege um die Ecke kam. Trotzdem war ich etwas enttäuscht, denn wirklich was für mich schaute dabei nicht raus. Stattdessen bekam ich einen frisch frisierten Honda Civic aufgetischt.

Mit neuer Spurbreite und Glitzerfelgen gross wie Bistrotischlein, dafür einem sportlichen Lenkrad das so klein war wie ein Bierdeckel. Passend dazu hatte er seinen Stolz vorn und hinten mit grossen Schürzen versehen, dass jeder Küchenchef oder Metzger darob neidisch geworden wäre. Zwischen der ausgedehnten Karosserie und dem Asphalt war grad noch eine Handbreit Raum.

Ich hatte schon immer Mühe mit getunten Gebrauchsgegenständen, und zu jenen Dingen an denen am meisten rumgeschustert wird gehören Autos. Wieso legt einer seine Mühle tiefer wenn man dann zum Einsteigen einen Schuhlöffel braucht? Als Schwergewicht mag ich naturgemäss keine Wagen bei denen die Sitzfläche nur leicht über dem Teer schwebt, weder beim Ein- noch beim Aussteigen.

Das Angebot mich nach Hause zu fahren war aber zu verlockend, denn mit der Linie 11 in der Rush hour heim zu gondeln hiess Stehvermögen zu beweisen. Ich hätte es mir aber denken können - einer der ein Bonsaimobil derart aufdonnert fährt auch gerne schneidig. Erneut etwas dass mir heftig gegen den Strich ging. In meiner Religion gilt der Rausch der Geschwindigkeit als Sünde.

Es ist meine Überzeugung dass der Mensch nicht für ein Tempo geschaffen ist welches jenes seiner Beine überschreitet. Angeheiterte Vertreter/innen der Gattung sind zuweilen sogar damit überfordert. Behält man bei steigender Geschwindigkeit nicht alle Sinne scharf beieinander, scheppert man rasch ins Verderben. Freund Hondabastler sah das anders - er hielt sich für begnadet.

In seine Hosenträgergurten geschnallt rauschte er zwischen Reinach und Aesch wie ein gesengtes Borstentier umher, einen halbstündigen Umweg fahrend. Vor Therwil schreckte er mit bösen Worten und Gehupe einen betagten Töfflifahrer von einer Kreuzung, während ich abwog ob man einen flinken Sprung aus dem fahrenden Wagen ohne bleibende Schäden überstehen könnte.

Ich wusste doch genau aus der Boulevardpresse dass Horrorunfälle immer damit enden dass der Beifahrer im Fahrzeug eingklemmt jämmerlich verbrennt, und durchschnittlich 53 Unbeteiligte (vorzugsweise Nonnen oder Vorschulkinder) im Radius von 20 Kilometer getötet oder schwer verletzt werden, derweil der Todesraser sich den linken Daumen leicht verstaucht.

Am Ende verlässt der PS-Junkie den Gerichtsaal mit einer Bewährungsstrafe um sich gleich am Kiosk gegenüber in den Autoannoncen der Tierwelt nach einem neuen Wagen umzusehen, während ich den Rest meines Lebens tot bin und meine Leiche praktischerweise schon partiell kremiert ist, was gewiss die Kosten für die Bestattung senkt. Die Welt ist ein Ballsaal der Ungerechtigkeit.

Ich plädiere dafür jeden überführten Raser dazu zu verurteilen, sein geliebtes Auto mit einer Nagelfeile zu Pulver zu verarbeiten. Das würde ihn für eine Weile beschäftigen und von der Strasse fernhalten. Ich überlebte den Ritt durchs untere Leimental auf Hondabastlers Projektil. Aber bis zum heutigen Tage prägt dieses Erlebnis meine eigenen Vorstellungen vom idealen Personenfahrzeug.

Ein alter BAT-Jeep der Schweizer Armee soll es ein. Zwar lege ich Wert auf viel Laderaum, aber Opfer müssen zuweilen erbracht sein. Mit der rückstossfreien Pak 58 im Heck kann man auf dem Schlachtfeld keinen Blumentopf mehr gewinnen, aber um lichthupende Honda Civics dauerhaft von der Fahrbahn zu holen reicht der Vorrat von sechs panzerbrechenden 10,6 cm-Granaten völlig.

engel

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