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Glosse Nr.11 / 10. März 2004

Grenzerfahrungen

Da kocht die nordwestschweizer Volksseele. In finsteren Amtsstuben Berlins wurde augenscheinlich beschlossen, die Grenze der Bundesrepublik zur Schweiz mit peniblen Kontrollen vor ungenannten dunklen Mächten zu schützen. Dieses Recht steht den Deutschen selbstverständlich zu. Der unverhofft aufgeflammte Diensteifer der deutschen Grenzschützer sorgt jetzt für lange Autoschlangen vor den Zollhäuschen. Da kommt in vielen Köpfen langsam ein unguter Verdacht auf.

Könnte dies ein weiterer Versuch sein, dem kleinen Schweizer Stachelschwein das Tanzen nach teutonischen Tönen im Brüsseler Takt beizubringen? Aus der Bratwurstecke erschallt lauthals die Forderung, Aug' mit Aug' zu vergelten. Gar fürchterlich liesse es sich Rache nehmen, wenn die deutschen Urlauberströme auf dem Weg zu südlichen Stränden durch unsere Gotthardröhre wollen. Die sollen in ihren Ford Fiestas auf kochendem Asphalt unter glühender Sonne lernen, wie nachtragend Tells Söhne sein können.

Im vaterländischen Zorn wird übersehen, dass die Hauptopfer dieser Aktion nicht wir sind, die wir jenseits der Grenze Ravioli, Fleiskäs und Klopapier kaufen, weil uns die Prämien der Krankenkassen den letzten Rest von konsumbezogenem Patriotismus ausgetrieben haben. Im Stau stehen auch Landsleute des scharfzüngigen Hans Eichel. Bei aller heissblütiger Flucherei sollte man die deutschen Grenzgänger nicht vergessen, die in der Schweiz ihr Brot verdienen um sich dann auf dem Heimweg in eine Autoschlange einzureihen.

Zur selben Zeit kann der Eidgenosse bereits den Feierabend geniessen. Dass gerade Bertha und Otto Normalverbraucher von der Hand Berlins gebackpflaumt werden ist besonders tragisch. Auch wenn es uns traditionell schwer fällt, sollten wir den gebeutelten Deutschen unsere Herzen öffnen. Denken wir bloss an die Tatsache, dass Willi Würger vom Finanzamt dem deutschen Michel so tief in den Geldbeutel greift, dass jeder Schweizer in vergleichbarer Lage die Armbrust rausholte um in der Hohlen Gasse auf den Steuervogt zu lauern.

Von seiner direkten Demokratie verwöhnt, darf der Eidgenosse seine Landesväter (Landesmütter sind leider wieder eine Seltenheit) in Bundesbern mit Volksinitiativen und Urnenentscheiden ärgern und beschäftigen. Deutsche können nur auf eine Hitzewelle oder parteiinterne Diadochenkämpfe hoffen, wenn sie ihre Volksvertreter an der Spree schweissgebadet sehen wollen. Nach altem Brauche erheben sich in Berlin die Elfenbeintürme jener die wissen wo der Feind ist.

Eben dort, wo angeblich mancher noch einen Koffer stehen hat, wurde festgestellt, dass die Front nun entlang unserer Grenze verläuft. Besinnen wir uns auf die humane Tradition der Schweiz - helfen wir den Opfern. Lasst uns Begrüssungsgeld in Form von Schoggitalern an die deutschen Grenzgänger verteilen, wenn sie am Morgen auf dem Arbeitsweg einreisen. Ihr Los ist hart genug.

engel

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