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Glosse Nr.4 / 26. Juli 2003

Feuerwerk

Eben wurde drohend verkündet, dass in diesem Jahr das Feuerwerk zur Nationalfeier am Rhein als halbstündiger Superlativ daherkommen werde. Man nenne mich einen Griesgram, aber ich bleibe dabei - irgendwann zwischen dem 12. und 17. Altersjahr entwächst der männliche Homo sapiens sapiens jener Lebensphase, bei der die Freude am Chlöpfe durch seine Jugend legitimiert wird.

Seit ich bei einem Bekannten zu Gast war, der eine geradezu pathologische Freude am Feuerwerk hatte, habe ich einen Präzedenzfall, der meine Abneigung nachhaltig stützt. Mit über 50 Jahren längst dem Alter entwachsen, wo man fürs Zünseln noch maximal eine Backpflaume kassierte; fuhr er alle Jahre eine veritable Grande Batterie zum Nationalfeiertag auf.

Er hatte ein Einfamilienhaus im suburbanen Grünen, und liess den Feuerzauber immer auf dem betonierten Sitzplatz steigen, der sich vor dem grossen Wohnzimmerfenster mit Türfunktion erstreckte. Die blassgrünen Kunststoffstühle wurden beiseite gestellt, und fünf Flaschen mutierten zu Abschussrampen für die Feuerwerksraketen. Nun geschah, was die NASA einst in Unfallberichten eine seltene Verkettung höchst unglücklicher Umstände nannte.

Die schattenspendende Jalousie war nicht ganz eingezogen, eine Flasche stand wohl etwas schief und eine Rakete war nicht in Festtagslaune. Ausserdem könnte noch eine unglückliche Konstellation von Planeten im Spiel gewesen, oder mieses Feng Shui. Freund Knallfrosch jedenfalls, schwor auf die Wirkung des Salvenfeuers. Bevor die erste Rakete am Nachthimmel explodiert, mussten die anderen vier auch unterwegs sein. So liess sich der pyrotechnische Lustrausch ausdehnen.

Rakete 3 wich jedoch überraschend von dem vom Kontrollzentrum vorgegebenen Kurs ab, und rauschte zunächst unter die ausgefahrene Jalousie, welche die Flugbahn eklatant beeinflusste. Nun strebte das Achtfrankenzwanzig-Geschoss durch die offene Glastür ins Wohnzimmer und schlug erstmal in die jenseitige Wand direkt neben der Hundertwassergrafik im bordeauxroten Plastikrahmen ein. Dort verharrte sie kurz glühend, Böses ersinnend.

Freund Knallfrosch war mit rudernden Armen sogleich hinter dem zischenden Satan her ins Wohnzimmer geeilt, jeglichen Selbsterhaltungstrieb überwindend. Ich hatte derweil Deckung hinter dem Muschelkalkgrill auf dem Sitzplatz genommen, und fragte mich, ob die Gemeindefeuerwehr wohl auch noch mit diesen uralten Motorspritzen aus ehemaligen Zivilschutzbeständen ausgerüstet sei. Gelb-violett leuchtend kündigte sich im Wohnzimmer das Finale an.

Ich konnte nicht widerstehen und hob den Kopf aus der Deckung. Der Gastgeber hatte zunächst versucht, sich gleich einem heroischen Bodyguard in the Line of Fire zu werfen, um seine weisse Polstergruppe aus Kunstleder zu schützen. Er entschied sich dann jedoch zum Durchstarten, und verzog sich durch die Küchentür aus der Todeszone, während das grosse Bouquet über dem Clubtisch anhob.

Wunderbarerweise geriet nichts in Brand, doch als ich zaghaft den Raum betrat, sah er aus wie die letzte Übernachtungsgelegeheit der Gebrüder Hussein nach dem Besuch durch die amerikanischen Streitkräfte. Dieses Gesamtkunstwerk machte den besagten 1. August zu einen speziellen Ereignis. Ich jedenfalls mache alle Jahre die Löcher meiner Wohnung dicht, sobald es losgeht, die Pyromanen aller Gehaltsgruppen einen Abend lang grollend verwünschend.

engel

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