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Glosse Nr.3 / 12. Juli 2003

Basel liest ein Buch

Dass Basel ein Buch liest dürfte sich nunmehr rumgesprochen haben. Die Stadt soll sogar ein Buch gewählt haben, aber bei diesem Urnengang war ich nicht dabei. Ich habe das Trauma des Stadtromans noch nicht bewältigt. Ohne ein Kilo Psychopharmaka erfasst mich kaltes Grausen und grenzenlose Heiterkeit beim Gedanken an die Affäre. Zur neuen Lesefreude passt die aktuelle Meldung aus der Tagespresse, die da besagt dass das Internet das Buch nicht in den Abgrund des Vergessens stiess.

Die Universität Karlsruhe habe ergründet, dass das World Wide Web entgegen den Vorhersagen mitnichten zum Totengräber der Buches wurde. Mit Prognosen ist das so eine Sache, denn manchmal biegt die Realität dort links ab wo die Avantgarde mit Schwung geradeaus brettert. Ich hatte es immer schon gewusst - keiner mit mehr als zwei Gehirnzellen nimmt einen Computer auf die Porzellanschüssel im WC mit um dort zu surfen. Auch auf dem Kopfkissen macht sich der ganze Krempel etwas schwerfällig.

Und wenn man das Licht löscht lässt sich das Zeug nicht einfach zuklappen und weglegen. Ausserdem heizt der Monitor das Kissen auf und man kann ihn nicht nach lästigen Fliegen werfen ohne das sogleich zu bereuen. Dies sind nur einige Vorteile des Buches. Wie weit das Lesen noch gepflegt wird, offenbart sich immer wenn ein neues Abenteuer eines englischen Jungen mit magischen Kräften und ekligen Pflegeeltern im Handel erscheint. Ich billige was immer die Jugend zum Lesen gut geschriebener Texte verleitet, solange diese nicht Zigaretten oder Alcopops anpreisen.

Ganz religiöse Menschen sind allerdings der Ansicht, dass Harry Potter so schlimm wie Alkohol, Nikotin und Kondome zusammen sei. Diese Leute sind dann eher dem literarischen Vermächnis der Herren Jakob Sprenger und Heinrich Institoris zugetan, aber lassen wir das. Der Potterrummel berührt auch mich am Rande, da meine Frau alle seine Erlebnisse geradezu verschlingt. Ich bin kein besonderer Freund der Belletristik, in meiner umfangreichen Bibliothek geht eine handvoll Romane hoffnungslos im Meer der Sachbücher unter.

Irgendwo dümpelt noch eine alte Ausgabe von "Wem die Stunde schlägt" herum. Gerade hier hat der Fluch der Verfilmung zugeschlagen. Da bewegt Harry Potter Heerscharen von Jugendlichen dazu, sich durch eigene Kreativität eine Welt auszumalen. Dann kommt die Filmindustrie und überschwemmt die grünen Gehirne mit vorgefertigten Bildern und Kulissen, die von Stund' an immer dann auftauchen, wenn eine neue Zeile aus der Feder Joanne K. Rowling's gelesen wird. So ist es mir mit dem Klassiker von Hemingway ergangen.

Einmal mopste ich den Roman über den Spanischen Bürgerkrieg als handliche Hardcoverausgabe aus Papis Regal und las. Robert Jordan lädt mit angeknackten Bein sein Lewis-Maschinengewehr durch - während seine geliebte Maria kreischend von ihm weggezerrt wird, damit sie nicht sein tragisches Schicksal teilt. Er macht sich bereit, alleine die Faschisten aufzuhalten welche die überlebenden Republikaner auf der Flucht jagen. Da geistern seit dem Film immer ein heldischer Gary Cooper und eine kurzgeschorene Ingrid Bergmann durch meinen Kopf.

Ruckzuck wurde Hemingways Roman zu einer Hollywoodkulisse mit Staraufgebot. Da sich viele berufen fühlen, Basel ein Buch zu empfehlen, will auch ich meinen Senf dazu geben. Gehen Sie hin und fragen sie nach Barbara Tuchmanns "Der ferne Spiegel"

engel

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