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Die Eidgenossen
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Rund 1200 Mann der eidgenössischen Belagerer der Farnsburg brachen am Abend des 25.August 1444 zu einem Streifzug auf. Aus Liestal war gemeldet worden, dass sich bei Pratteln ein schwacher Verband der Armagnaken befände. Damit boten sich gleich zwei verlockende Ziele an. Zum einem ein leicht zu überwältigender Gegner und zum anderen das Dorf Pratteln, dessen Herrschaft dem Feind zuzurechnen war.


Eine andere Welt mit anderen Masstäben

Beide Ziele versprachen leichte Beute. Einerseits galt es, eventuell umherziehende Armagnakentrupps zu stellen, um sie zu vertreiben bevor sie der belagerten Farnsburg zu nahe kamen. Auf der anderen Seite konnte man dem österreichischen Feind schaden, indem man in dessen Einflussgebiet plünderte und somit seine Ressourcen angreift. Auf jeden Fall winkten schneller Ruhm und lukrative Bereicherung.

Nach späteren Masstäben sind dies Beweggründe die nicht ins Bild jener Heldenmythen passen, die bis ins 20.Jh um diese Schlacht gestrickt wurden. Mit einem solchen Urteil wird man aber weder der Zeit noch den Menschen von damals gerecht. Wenn auch die primitiv anmutende Gier und Zügellosigkeit uns heute abstösst, so galten doch im Krieg Ehrbegriffe denen wir uns heute nie unterwerfen würden.

Das Eidgenössische Heer von St.Jakob bestand vermutlich zur Hauptsache aus Härsten aus Bern und Luzern, einige hundert Mann stark. Die Kontingente der anderen Orte wie Uri, Ob-und Nidwalden, Schwyz, Glarus, Zug und Solothurn waren wesentlich kleiner und betrugen je rund 50 Mann. Jedes Kontingent fühlte sich in erster Linie dem eigenen Ort verpflichtet - von einer Kommandostruktur im modernen Sinne keine Rede sein kann.


Hauptleute und wilde Knaben

Die Hauptleute dieser einzelnen Härste waren von der Obrigkeit der jeweiligen Orte ernannt worden und waren deren Richtlinien unterworfen. Solche Direktiven hatten vielfach mehr die Intressen des eigene Orts im Auge als jene der Eidgenossenschaft, was oft zu Streit führte. Die Hauptleute waren mehr Aufseher als militärische Führer - die Mannschaften die ihnen unterstanden kannten kaum Disziplin.

Die Reihen dieser Härste waren gefüllt mit Jugendlichen ab etwa 14 Jahren und mit jungen Männern. Sie lebten in Zeiten in denen das jugendliche Kriegertum die damit verbundene Gewalt glorifiziert wurden. Sie waren geleitet von Werten und Ehrbegriffen, die eine dauerhafte Kontrolle praktisch verunmöglichten. Liefen Entscheidungen von Hauptleuten ihren Vorstellungen entgegen, wurde offen rebelliert.

Gelang es einem Hauptmann nicht sich durchzusetzen, oder ordnete er unpopuläre Dinge an, so drohte ihm unter Umständen Lebensgefahr. Die rohe Wildheit des Heeres von St.Jakob manifestiert sich besonders in einem Zwischenfall vor dem Überschreiten der Birs. Ein Bote hatte sich unter Lebensgefahr von Basel zu den Eidgenossen begeben, um sie vor der Stärke des nahen Feindes zu warnen.


Gewaltbereitschaft und Todesverachtung

Der Bote, ein Söldner namens Friedrich von Strassburg, wurde von den Eidgenossen mitsamt seinem Pferd umgebracht. Sein Vergehen sei gewesen, dass er sie "wollt Zaghaft machen". Dies alleine soll für die jungen Burschen Motiv genug gewesen, den Mann zu töten. Aus dieser Tat spricht eine Geisteshaltung die entsetzlich anmutet, die aber auch wesentlicher Faktor für die Kampfkraft des Heeres gewesen sein mag.

In ihrer Wut hätten die Mannschaften auch den eigenen Hauptleuten mit dem Tod gedroht, wenn diese weiterhin das Vorrücken gegen den Feind über die Birs verboten. Taktisch kluges Vorgehen und weise Vorsicht wurden als Feigheit und Ehrlosigkeit bespukt. Das Heer folgte nur noch seinem eigene Willen - alle zuvor erhaltenen Weisungen und abgelegten Schwüre galten nichts mehr.

Die Eidgenossen verachteten jeden zu übermässigen Körperschutz. Ein Helm und vielleicht noch ein einfacher Brustpanzer waren wohl das Maximum, was sich die meisten über ihre Alltagskleidung für den Krieg anzogen. Eine der wichtigsten Nahkampfwaffen war die Halbarte - eine zum Hieb wie zum Stoss verwendbare axtähnliche Stangenwaffe. Von besonderer Bedeutung war daneben der Langspiess. Mit seinen rund fünf Metern Länge ein sperriges Gerät.

Der besonders beigsame Eschenholzschaft war mit einer Metallspitze versehen. Die in den vorderen Gliedern stehenden Langspiesser waren kräftige Kämpfer. Mit dem gegen den Feind gerichteten Wall aus Spiessen konnten sie jeden berittenen Angriff stoppen und schützten so die Infanterie vor der gefürchteten Reiterei. Um herandonnernden Reitermassen regungslos zu trotzen brauchte es Nerven aus Stahl.


Keine Gnade - kein Pardon

Prallten die Fronten aufeinander und Mann kämpfte gegen Mann, dann kamen die persönlichen Waffen zum Zug. Der eidgenössische Krieger kämpfte dann mit dem Schwert, dem Dolch, oder dem aufkommenden Schweizerdegen, eine Waffen die zwischen den ersten beiden anzusiedeln ist - Waffen für Hieb und Stich wenn der Kampf im direkten Kontakt geführt wurde, wo lange Stangenwaffen hinderlich waren.

Nebst der wilden Kampfeslust waren die leichte Ausrüstung und Bewaffnung ein wichtiger Faktor bei den kriegerischen Erfolgen der Eidgenossen. Sie waren dadurch sehr mobil und konnten rasch zuschlagen. Kam es zum Kampf, so wurde oft weder Pardon gegeben noch erwartet. Knochenfunde zeigen, dass auch gefallene Verwundete in blinder Raserei mit Hieben und Stichen heimgesucht wurden.

Wie rauh die Sitten waren zeigt der Fall der Burg Greifensee im Mai 1444. Als sich nach eidgenössischer Belagerung die Besatzung bedingungslos ergab, wurde sie hingerichtet. Nur einige Kinder und alte Männer blieben am Leben. Auch selbst durften die Eidgenossen keine Gnade erwarten. Ihre Gegner kämpften schon im 100jährigen Krieg, wo es üblich war Adelige zu schonen, weil sie Lösegeld brachten.

Gefangene niedrigen Standes mussten jederzeit mit dem Tod rechnen, denn sie brachten kein Lösegeld und mussten bloss bewacht und verpflegt werden. Das ersparte man sich oft indem man sie umbrachte. Im Heer von St.Jakob konnte niemand auf Gnade als Gefangener hoffen, auch weil der lokale Adel bei den Armaganken immer wieder auf Härte ohne Schonung gegenüber den Eidgenossen drängte.


Unausweichliches Schicksal

Der Untergang des Heeres war ironischerweise ein zwingendes Resultat der Erfolge in den ersten Gefechten des 26.August bei Pratteln und bei Muttenz. In beiden Fällen errang man einen Sieg über einen teilweise zahlenmässig überlegenen Gegner. Angeheizt von diesen Erfolgen erreichten die Eidgenossen die Birs. Sie hatten den Hauptleuten vor der Farnsburg gelobt, sie nicht zu überschreiten.

Hier kommen Ehrbegriffe und Werte ins Spiel, die jenseits von rationalem Denken liegen. Zwei Gefechte waren gewonnen worden, und man hatte das Feld behauptet. Üblicherweise folgte auf einen Sieg ein rituelles dreitägiges Verharren auf behauptetem Boden. Nach dieser Logik hätte man sich mit einem Rückzug nach zwei Siegen mit schwerer Schande beladen. Nur wer geschlagen war zog sich zurück.

Die einzige gangbare Option für ein siegreiches Heer war in diesem Fall das weitere Verfolgen des Feindes. Ein rituelles Verharren auf den Kampfstätten des Morgens hätte ohnenhin nur dazu geführt, dass der Feind die Eidgenossen mit überlegenen Kräften umzingelte und sie dort vernichtet hätte. Auch militärisch gesehen war es nach damaligem Denken besser, den Gegner zu verfolgen und nicht auf ihn zu warten.

Nach hitzigen Diskussionen mit den Hauptleuten, und nach dem erwähnten Mord an dem Basler Boten, überschritt das Heer gegen acht Uhr morgens die Birs um seinem Untergang entgegenzugehen. Nach den Ausfällen des Morgens zählte es, inklusive der Verstärkungen aus dem Baselbiet die in der Nacht in Liestal zum Heer gestossen waren, noch rund 1000 Mann. Sie erstiegen das Plateau von Gundeldingen.


Der Untergang

Dort standen sie einem feindlichen Heer von 8000 Mann gegenüber, und stellten sich dem Kampf. Mehrere Stunden fochten man gegen den überlegenen Gegner, der es sich erlauben konnte erschöpfte Truppen aus dem Kampfgeschehen rauszuholen und frische hineinzuwerfen. Das immer kleiner werdende Heer der Eidgenossen fand weichend schliesslich sein Ende bei den Siechenhäusern von St.Jakob.

Die Tatsache dass alle Verhandlungen über eine Kapitulation von den zum Untergang Verdammten zurückgeweisen wurden, zeugt vom Festhalten an den genannten Werten noch Angesichts des Todes. Dass bei einer Kapitualtion wenig Gnade zu erwarten gewesen wäre, wurde bereits erwähnt. Es fielen rund 1300 Mann des Heeres, nur etwa 200 überlebten als Versprengte oder schwerverwundet.




Querverweise zur Schlacht von St.Jakob:

>> Das Heer der Armagnaken
>> Jean de Bueil - Kommandant der Armagnaken
>> Der Basler Hauptmann Henman Sevogel
>> Das St.Jakobsdenkmal von Lukas Ferdinand Schlöth



Literatur:

Albert Bruckner in "Die Schlacht bei St.Jakob an der Birs, 122. Neujahrsblatt der GGG 1944, Helbing und Lichtenhahn, Seiten 46 bis 52

Werner Meyer in "Ereignis - Deutung - Mythos, 1444-1994 St.Jakob an der Birs", 1994, Werner Geiser Basel, ISBN 3-9520120-4-1, Seiten 18 bis 22 und 35 bis 38

H.G.Wackernagel, Kriegsbräuche in der mittelalterlichen Eidgenossenschaft, ohne Jahr, Buchdruckerei Karl Werner basel, Seiten 8 bis 18

Hans Rudolf Kurz, Schweizerschlachten, zweite bearbeitete und erweiterte Auflage 1977, ISBN 3-7720-1369-4, Seiten 73 bis 80

Douglas Miller, The Swiss at War 1300-1500, Serie Men-at-arms Band 94, 6.Auflage 1988, Osprey Publishing, ISBN 0-85045-334-8

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