guten tag

zurueck

copyright by altbasel.ch


Fresko Eheverkündigungen am Münsterberg


Frau O. / 30. Juni 2009:

Am Münsterberg ist eine Liebeslaube aufgemalt. Von wem ist die?


Antwort von altbasel.ch:

Münsterberg ist nicht ganz die richtige Adresse. Korrekterweise muss man die Wand auf dem das Fresko zu finden ist der Liegenschaft Münsterplatz 14 zuordnen, dem Mentelinhof. Dort malte im Jahr 1919/1920 der Basler Künstler Niklaus Stoecklin (1896-1982) im Auftrag des staatlichen Kunstkredits ein Wandbild zur Ausschmückung des Schaukastens in welchem die Verlobungen öffentlich ausgehängt wurden. Das Gemälde zeigt vier Liebespaare, umrahmt von einem müden Wächter und einer Lukretia.

das wandbild zu den verlobungsanzeigen am muensterberg

1919 von Niklaus Stoecklin gemalt und 1921 erneuert, ist das Wandbild bis heute unter seinem Schutzdach zu sehen. Man beachte die Abstimmung der Fensterrahmen des Kastens auf die gemalten Säulen.

Lucretia ergänzt das Fresko weil sie als antike Schutzpatronin ehelicher Treue gilt. Sie sei im 6. Jahrhundert vor Christus als Verlobte des Collatinus von Sextus Tarquinius geschändet worden. Obschon von ihrem Gatten als unschuldiges Opfer befunden, habe sie sich mit blanker Klinge das Leben genommen, um nicht künftig untreuen Ehefrauen als Ausrede zu dienen. Vielleicht hat Niggi Stoecklin die krude Logik dieser Geschichte mit dem listigen Lächeln seiner Lucretia am Münsterplatz karikiert.

Es gab übrigens in vergangenen Tagen die Redewendung "ins Kästchen kommen" für jene die sich verlobten. Dies weil die Verlobungsanzeige in eben diesem Schaukasten ausgehängt wurde, wie der Schriftzug "Eheverkündigungen" in der Liebeslaube schon andeutet. Der Datenschutz hat dieser Praxis allerdings ein Ende bereitet und Stoecklins Kunstwerk seines Sinnes beraubt. Härter als der Datenschutz gingen allerdings vor 88 Jahren moralisch bewegte Vandalen mit dem romantischen Fresko um.

Die öffentliche Zurschaustellung von Liebenden die sich küssen war für die steiferen Kreise der Basler Gesellschaft schlicht obszön. Die Gemüter erhitzten an Stoecklins Werk. Der Lokalskandal gipfelte in einem Farbanschlag. In der Nacht zum 21. August 1921 wurde das Wandbild mit roter und blauer Farbe übermalt. Als am Sonntagmorgen die Kirchgänger auf dem Weg ins Münster daran vorbeigingen, dürfte die Frommstrengen unter ihnen ihre Freude an diesem Vandalenakt gehabt haben.

Die Basler Künstlerschaft war damals empört über diesen Akt. Man sah die Tat nicht nur als gegen das Motiv gerichtet, sondern wider die junge Kunst in der Stadt allgemein. Niklaus Stoecklin erneuerte das zerstörte Fresko, welches uns bis heute ohne einen weiteren Farbanschlag erhalten geblieben ist. Wenn sie das nächste mal dort sind, werfen Sie einen Blick in den Schaukasten. Dort finden sie ein Selbstportrait und Informationen zum Künstler.


Beitrag erstellt 30.06.09

Quellen:

Hans Brenner/E.Th.Markees/Wilhelm Barth/Eugen Tamm, "Das künstlerische Leben in Basel vom 1. November 1919 bis 31. Oktober 1920", publiziert in Basler Jahrbuch 1921, herausgegeben von August Huber und Ernst Jenny, Verlag von Helbing & Lichtenhahn, Basel, 1921, Seite 231

Anne Nagel/Martin Möhle/Brigitte Meles, "Münsterplatz 14 - Mentelinhof", publiziert in Die Kunstdenkmäler des Kantons Basel-Stadt, Band 7 (Altstadt Grossbasel I), herausgegeben von der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Bern, 2006, ISBN 3-906131-84-X, Seite 66 Spalte 1

Peter Zschokke, 50 Jahre Kunstkredit, Schwabe & Co, Basel, 1969, Seite 46

le_stab

zurück