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Kontroverse um das Geburtshaus von Johann Peter Hebel



Herr O. / 27.Januar 2010:

Auf Ihrer Homepage, wo ich immer wieder ganz nützliche Sachen finde, haben Sie einen Beitrag über das Hebelhaus. Weil Johann Peter Hebel im Moment hochaktuell ist, interessiert mich die Vergangenheit seines Geburtshauses ganz speziell. Leider geht ihr Beitrag nicht so richtig auf die Kontroverse um das richtige und das falsche Haus ein. Gerne möchte ich mehr wissen, wie und wann herauskam wo Hebel wirklich geboren wurde.

Antwort von altbasel.ch:

Hebel über sein Geburtshaus

Bis 1860 war man sich unklar über den Standort des Geburtshauses von Johann Peter Hebel (1760-1826). Nachdem er Basel längst verlassen hatte, ging Hebel in Briefen wiederholt auf sein Vaterhaus ein. Doch eine mündliche Überlieferung bekam mehr Gewicht als Hebels geschriebene Worte. Als Hebelhaus war bereits damals die heute als Geburtsstätte anerkannte Liegenschaft im Gespräch. Dazu sollten wir uns zuerst zwei Aussagen Hebels über sein Geburtshaus ansehen.

Die erste Aussage stammt aus einem Brief Hebels an seinen nahen Freund Friedrich Wilhelm Hitzig (1767-1849). Hitzig war zum Zeitpunkt als der Brief geschrieben wurde Stadtpfarrer und Dekan in Schopfheim.
[1] Der zweite Auszug findet sich in einem Brief an Hebels gute und langjährige Freundin Gustave Fecht (1768-1828). Sie lebte in Weil und war über 30 Jahre lang die Empfängerin zahlreicher Briefe von Hebel. [2] Beide Briefe nennen sein Vaterhaus.

Aus einem Brief an Friedrich Wilhelm Hitzig vom 20. August 1815 mit Bezug auf die Belagerung der Festung Hüningen:

"... Aber leid wäre es mir, wenn der Stadt selbst ein Leid geschähe, in der ich geboren bin, und zwar just in der Santehans ni fallor (= Irrtum vorbehalten) n. 14, das 2te Haus vor dem Schwiebbogen, und wo ich viel Gutes genossen, und wo wir manches proteusische Stündlein verbracht haben ..."
[3]

Aus einen Brief an Gustave Fecht vom 6. Januar 1825:

"... Sie haben mir auf einen Gedanken geholfen. In noch fünf Jahren bin ich siebzig. Alsdann bitte ich um meinen Ruhegehalt und komme heim. Ich bin bekanntlich in Basel daheim, vor dem Santehansemer Schwiebbogen das zweite Haus. ..."
[4]

Beide Briefpassagen lassen erkennen, dass das Haus in dem Hebel am 10. Mai 1760 geboren wurde ziemlich nahe beim St.Johann-Schwibbogen gelegen haben musste. Der von Hebel erwähnte Bogen war das um das 1873 abgerissene ehemalige Kreuztor der alten inneren Stadtmauer. Nach dem Bau der äusseren Grossbasler Stadtmauer zum sogenannten Schwibbogen degradiert, wurde es nicht länger als Tor angesprochen. Zu Hebels Tagen begann direkt vor dem alten Tor die St.Johanns-Vorstadt.

Das zweite Haus vor dem St.Johanns-Schwibbogen ist eine klare Aussage. Die Frage kommt ins Spiel, wie es geschehen konnte dass man 1861 ein anderes Haus als Totentanz 2 zu Hebels Geburtshaus erklärte? Neues Gewicht erhielt zu Hebels 100. Geburtstag 1860 eine Überlieferung der Familie Krauss. Sie sei auf Pfarrer Daniel Krauss-Bordhag (1753-1814) zurückgegangen. Er war Kantor zu St.Peter und zu St.Alban und ab 1801 Lehrer am Gymnasium am Münsterplatz.
[5]

die gedenktafel am geburtshaus von hebel

Die 1861 vom Basler Glockengiesser Johann Jakob Schnegg geschaffene Gedenktafel, die am 10. Mai 1861 am Haus Neue Vorstadt 3 angebracht wurde. Heute hängt sie am Haus Totentanz 2.

Die Überlieferung der Familie Krauss

Der Publizist und Lokalhistoriker Franz August Stocker (1833-1892) schilderte in einem Aufsatz zur Geschichte des mutmasslichen Hebelhauses 1890, wieso man zu seinen Tagen davon ausging dass dieses an der Hebelstrasse 3 (ehemals Neue Vorstadt) lag. Magister Krauss sei ein Freund von Johann Peter Hebel gewesen. Bei einem Gang durch die Neue Vorstadt hätte Hebel auf ein schlichtes Haus vis à vis dem Markgräflerhof gedeutet und zu Krauss gesagt: "Da bin ich geboren."
[6]

Diese Überlieferung sei bis zu den Grosskindern von Krauss weitergetragen worden. Bei jedem Spaziergang durch die Neue Vorstadt sei dem Nachwuchs aufgeführt worden "Kinder, denkt daran, hier ist unser Hebel geboren!" In einem Aufsatz im Basler Jahrbuch 1901 zu Hebelhaus und Hebeldenkmal, behandelte Albert Gessler (1862-1916) elf Jahre nach Stocker die Tradtion zum Hebelhaus an der neuen Vorstadt tiefer. Demnach sei sie 1860 in einem Lehrerzimmer aufgegriffen worden.

Abweichende Versionen

Zur Zeit der Hebel-Jubiläumsfeier im Mai 1860 hätten im Gymnasium zwei Lehrer die Kunde verbreitet, dass man in der Familie Krauss genau wisse wo Hebel geboren worden sei. Dies sogar von Hebel selbst. Diese Lehrer waren Dr. Daniel Albert Fechter (1805-1876) und Pfarrer Heinrich Meyer-Krauss (1806-1893).
[7] Dazu widersprechen sich die Quellen. Stocker nennt 1890 Magister Krauss, Lehrer am Gymnasium, als Freund Hebels, der von diesem aus erster Hand die Information gehabt habe.

Da Pfarrer Daniel Krauss-Brodhag Lehrer am Gymnasium war, wird definitiv er gemeint sein. Bei Gessler ist wiederum von Pfarrer Daniel Krauss-Bachofen (1786-1846) die Rede, dem Sohn von Pfarrer Krauss-Brodhag. Er habe als kleiner Knabe, wenn der Dichter als Lörrach nach Basel gekommen sei, diesem den Stock tragen dürfen. Später sei er dann mit Hebel befreundet gewesen, und habe von ihm oftmals das Haus in der Neuen Vorstadt als dessen Geburtshaus nennen hören.

Gessler benennt konkret Pfarrer Krauss-Bachofen als Begründer der Überlieferung. Er habe jeweils seinen Kindern beim Gang durch die Neue Vorstadt das Häuschen gezeigt und gesagt: "Seht, Kinder, hier ist der Dichter Hebel geboren; er hat es mir manchmal selbst gesagt."
[8] Die Tochter dieses Pfarrers war Susanna Krauss; spätere Gattin des bereits genannten Pfarrers und Lehrers am Gymnasium Heinrich Meyer-Krauss. Sie lebte 1901 noch und war die Hauptzeugin der Überlieferung.

Als Pfarrer Meyer-Krauss im Lehrerzimmer des Gymnasiums also enthüllte dass er Hebels Geburtshaus kenne, stützte er sich Gesslers Version entsprechend auf die Erinnerungen seiner Frau. Diese wiederum schöpfte ihr Wissen aus Dingen die sie von ihrem Vater und ihrer Grossmutter gehört hatte. Auch wenn Stockers und Gesslers Versionen sich leicht widersprechen ist eines sicher; 1860 lebte keiner der beiden vermeintlichen Begründer der Familientradition mehr.

Das mutmassliche Hebelhaus wird offiziell

Trotz aller Betonung darauf dass die Lokalisierung des Geburtshauses aus Hebels Mund gekommen sei, bleibt die Überlieferung der Familie Krauss eine indirekte. Sie war über mindestens eine Generation hinweg gegangen, als man ihr folgend das Hebelhaus in der Neuen Vorstadt kürte. Als man der Überlieferung entgegen Nachforschungen zum Standort des Hauses angestellt habe, sei die Familie Krauss ernsthaft erbost über die Zweifel an ihrer Tradition gewesen.

Die Konversation im Lehrerzimmer fiel jedenfalls auf fruchtbaren Boden. Rektor des Gymnasiums war nämlich Professor Fritz Burckhardt-Brenner (1830-1913). Er war der erste Präsident der in jenen Tagen gegründeten Basler Hebelstiftung. Man kann sich vorstellen, dass es diesem Mann ein besonderes Anliegen war, ein greifbares Gebäude offiziell als Hebelhaus anerkannt zu wissen. Da konnte womöglich der Wunsch rasch zum Vater des Gedankens werden.

Als das mutmassliche Hebelhaus ausgemacht wurde, war es zu spät um es in das Jubiläum 1860 einzubeziehen. Ihm widerfuhr aber nachträglich Ehre. Eine Gedenktafel sollte das Haus kennzeichnen. Gefertigt vom Basler Glockengiesser Johann Jakob Schnegg (1826-1889), zierte die 300 Franken teure Bronzeplatte ab dem 10. Mai 1861 das Häuschen an der Neuen Vorstadt.
[9] Franz August Stocker schildert das einfache Gebäude 1890 in seinem erwähnten Aufsatz zum Hebelhaus.

Das Haus mit zwei Geschossen hatte im oberen Stockwerk an der Strassenfassade fünf Fenster. Im Erdgeschoss wies das Gebäude eine Tür und ein Tor auf. Das Haus trug ab 1798 die Nummer 250, die nach der Neunummerierung der Basler Häuser 1861 in 3 wechselte.
[10] In der Pfingstnacht 1888 brannte eine anstossende Lohnkutscherei nieder, wobei das Haus Nr. 3 auch Schaden nahm. Man riss es mit der benachbarten Brandruine ab. Die Gedenktafel wurde am Neubau angebracht. [11]

das seit 1928 offizielle geburtshaus am totentanz

Das Haus Totentanz 2, welches als Ergebnis der Forschungen von Fritz Liebrich 1928 offiziell als das Geburtshaus von Johann Peter Hebel anerkannt und mit Gedenktafel versehen wurde.

Festigung der Theorie Hebelstrasse

Kurz nach der Einweihung der Gedenktafel 1861 wurde der Gedanke laut, die Neue Vorstadt in Hebelstrasse umzubenennen. Es dauerte ein Jahrzehnt bis dies geschah. Als Vorspiel am Hebeltag (10. Mai) 1871 überklebte ein Anwohner das Strassenschild mit einem Papierschild mit der Aufschrift "Hebelstrasse". Daraufhin stellten weitere Anwohner ein Gesuch um eine Umbenennung an das Baukollegium. Einem Antrag im kleinen Rat folgte dann am 28. Juni 1871 die amtliche Neubenennung.
[12]

Gedenktafel und Strassenname zementierten die Theorie vom Geburtshaus an der Hebelstrasse richtiggehend. Die Folgerung aus Hebels Briefen, sein Vaterhaus könnte beim heutigen Totentanz liegen wurde abgetan. Albert Gessler schuf sogar eine recht abenteuerliche Beweisführung. Sie legte dar, dass unter "vor dem Santehansemer Schwiebbogen" eben nicht eine Lokalisierung direkt vor dem Schwibbogen meinte. Vielmehr sei die Lage zwei Ecken entfernt durchaus logisch.

Zum Haus am Totentanz hielt Gessler fest, dass es dazu nirgends die Spur eines Beweises oder einer Überlieferung zu Hebels Geburt gäbe.
[13] Dabei überging er, dass das von ihm vorgezogene Haus an der Neuen Vorstadt auch keine solchen Indizien lieferte. Er erwähnte nie die von Hebel genannte Hausnummer "... in der Santehans ni fallor n. 14 ...". Der entsprechende Brief von 1815 in der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe war Gessler nämlich noch gar nicht zugänglich.

Die Hausnummer hätte Gessler auch nichts genützt. Sie passte auf keines der beiden Häuser. Hebel benannte sie mit "ni fallor", also nur unter Vorbehalt. Die Unsicherheit hat einen Grund. In der Kindheit kannte der Dichter keine Hausnummern. Die Nummerierung erfolgte erst 1798, als er in Karlsruhe lebte und Basel nur besuchshalber sah.
[14] Der Irrtum wird so begreiflich. Gessler nannte die Passage zu Hebels Geburtshaus vor dem Schwibbogen im Brief von 1825 ungenau.

Konkreter als "das zweite Haus vor dem Schwibbogen" hätte sich Hebel kaum äussern können, ausgenommen vielleicht die Strassenseite. Da diese Lokalisierung der anerkannten Theorie aber widersprach, musste Gessler sie im Interesse seiner Beweisführung umdeuten. Aus dem zweiten Haus vor dem Schwibbogen machte er ein zweites Haus vor dem alten Stadtgraben (Petersgraben). Bei seiner Untersuchung des Quartiers kam dafür nur das Haus an der Neuen Vorstadt in Frage.
[15]

Gessler betrieb viel Aufwand um die Theorie Hebelstrasse zu untermauern. Doch die Arbeit des Forschenden war nicht objektiv. Sie diente einzig dazu, eine schwache Theorie die auf eine mündliche Überlieferung gründete zu stützen. Das Resultat stand von Beginn an fest. Alle Forschung diente nur dazu es zu festigen. Zu Gesslers Verteidigung sei gesagt, dass er seine Erkenntisse nicht als definitive Wahrheit sondern als nur als nächst liegende Möglichkeit wertete.

Die Forschungen von Fritz Liebrich

Nach der Einweihung der Gedenktafel am Haus in der Neuen Vorstadt, dauerte es über 70 Jahre bis sich die Theorie eines anderen Geburtshauses durchsetzte. Der Primarlehrer und Dialektlyriker Fritz Liebrich (1879-1936) war ein passionierter Hebelforscher. Mit dem Spürsinn eines Sherlock Holmes untersuchte er jahrelang die Beziehung zwischen Johann Peter Hebel und Basel. Er war auch nicht bereit, die offizielle Theorie von Hebels Geburtshaus unkritisch hinzunehmen.

In seinem Werk über Hebel und Basel publizierte Liebrich 1926 seine eigenen Erkenntisse. Er griff auf Hebels Briefe zurück, so auch auf das mittlerweile entdeckte Schreiben an Friedrich Wilhelm Hitzig vom 20. August 1815. Anfangs bereits zitiert, gab es in folgender Passage einen wertvollen Hinweis: "... wenn der Stadt selbst ein Leid geschähe, in der ich geboren bin, und zwar just in der Santehans ni fallor n. 14, das 2te Haus vor dem Schwiebbogen ..."

Liebrich stellte fest, dass Hebel sich bei der Hausnummer geirrt hatte. Aber hilfreich ist die Bemerkung dass er "just in der Santehans" geboren worden sei. Das war ein starkes Indiz für ein Geburtshaus in der St.Johanns-Vorstadt und sprach gegen die Theorie von der Neuen Vorstadt, auch wenn diese zum Quartier gehörte. Mit dem Heranziehen einer anderen Briefpassage, versuchte Liebrich in einem nächsten Schritt die Neue Vorstadt definitiv als Geburtsort auszuschliessen.

Aus einen Brief an Gustave Fecht aus dem Oktober 1823, zum Wunsch sich in Hausen niederlassen zu können:

"... Im Winter wohnte ich in Basel, an dem Sanhans, damit ich immer hinüberschauen könnte, und käme alle Tag wie der alte Knab im Schaf. ..."
[16] [*]

Aus dieser Passage folgerte Liebrich, dass Hebels Geburtshaus in der St.Johanns-Vorstadt und zwar auf der rheinseitigen Häuserzeile liegen musste. Nur von dort aus hätte Hebel nach Weil zu seiner Brieffreundin Gustave Fecht hinüberschauen können.
[17] Beim Haus in der neuen Vorstadt wäre dies ganz unmöglich gewesen. Alleine die gewaltige Fassade des Markgräflerhofes hätte jenen Blick über den Rhein verunmöglicht. Doch Liebrichs Folgerung hat eine Schwäche.

Hebel schreib nur dass er sich "an dem Sanhans" niederlassen wolle. Mit keinem Wort ging er in diesem Brief auf sein Elternhaus ein. Mit dem "Sanhans" kann der Schwibbogen nahe dieser Liegenschaft gemeint sein, und es gibt Anhaltspunkte dafür dass Hebel davon träumte das Haus seiner Geburt irgendwann zu kaufen. So verlockend die Schlussfolgerung aber wäre; der Brief zeigt nur wo Hebel zu wohnen wünschte. Er nennt nicht explizit das Geburtshaus oder dessen Standort.

Stadtplan des 17. Jahrhunderts

stich aus dem 17. jahrhundert mit der neuen vorstadt und dem totentanz

A - Standort des St.Johann-Schwibbogens / B - seit 1928 offiziell als Geburtshaus Hebels anerkannte Liegenschaft Totentanz 2 (ehemals Teil der St.Johann-Vorstadt) / C - von 1861 bis 1928 offizielles Geburtshaus von Hebel an der Neuen Vorstadt 3 (ab 1871 Hebelstrasse 3) / 1 - Predigerkirche des ehemaligen Dominkanerklosters / 2 - Kirchhof der Prediger mit Totentanz

Einfache Leute in einem einfachen Haus

Johann Jakob Hebel (1720-1761) bestritt seinen Lebensunterhalt als Diener von Johann Jakob Iselin (1704-1772). Iselin machte Karriere als Offizier in französischen Diensten. Er diente im Regiment Brendle (welches ab 1733 Seedorf und ab 1752 Boccard hiess). Iselin wurde 1759 von König Louis XV. zum "Chevalier dans l'institution du mérite militaire" ernannt steig bis zum Oberstbrigadier auf. In Friedenszeiten lösten sich die Offiziere in Schweizerregimentern im Dienst ab.

So konnte Iselin jeweils ein halbes Jahr in Basel verbringen, während er die folgenden sechs Monaten wieder beim Regiment in Frankreich Dienst tat. Dies machte es möglich, dass er sich 1733 mit Susanna Ryhiner (1703-1787) verheiratete und mit ihr in Basel einen komfortablen Hausstand hatte.
[18] Vor dem St.Johann-Tor hatte Iselin hatte ein Landhaus, genannt Brunnen-Byfang. Liebrich lokalisierte die Liegenschaft 1926 an der Stelle des damaligen Hauses Elsässerstrasse 7. [19]

Dort lebte Iselins Gattin Susanna, die eine Magd aus Hausen im Wiesental hatte. Dabei handelte es sich um Ursula Oertllin (1727-1773)
[20]. Johann Jakob Hebel lernte während der Monate im Brunnen-Byfang diese Magd kennen und lieben. Sie heirateten am 30. Juli 1759 und liessen sich in Hausen nieder. Zuvor hatte Hebel seinen Dienstherrn Iselin auf dessen Reisen mit dessen Regiment jeweils begleitet. Ab nun arbeitete er während der Wintermonate als Weber in Hausen.

Im Frühjahr 1760 kehrte das Ehepaar nach Basel zurück, wo beide bis zum nächsten Winter wieder als Dienstleute im Haus Iselins arbeiteten. Zu dieser Zeit war Ursula bereits mit Johann Peter schwanger. Ihr Stand als einfache Leute ohne Bürgerrecht ist bedeutsam um ihr Wohnhaus auszumachen. Gemäss Johann Peter Hebel wurde er im zweiten Haus vor dem St.Johann-Schwibbogen geboren. Es stellt sich die Frage ob ein Haus auf der rechten oder linken Strassenseite gemeint war.

Wer durch die St.Johann-Vorstadt geht erkennt es noch heute. Auf der Rheinseite stehen einfache Häuser, während auf der anderen Strassenseite herrschaftliche Anwesen zu finden sind. In seinem Werk zur Geschichte der Vorstadtgesellschaft zur Mägd ging Mario Sabatino 1998 auf diesen Punkt ein. Er stellte fest, dass bereits im Mittelalter die Vermögenden in stattlichen Häusern auf der Landseite wohnten, und die Fischer in ärmlicheren Häusern auf der Rheinseite.
[21]

Diese Struktur hat sich mit einigen Ausnahmen bis in die Neuzeit gehalten. Noch zu Zeiten von Hebels Eltern waren einfache Leute eher in der Häuserzeile am Rheinufer zu finden. Johann Jakob und Ursula Hebel gehörten als Dienstleute aus dem Badischen der Unterschicht an. Es liegt also nahe im von Hebel erwähnten zweiten Haus vor dem Schwibbogen eine Liegenschaft an dieser Strassenseite zu suchen. Dies wäre das heutige Haus Totentanz 2, bis 1861 St.Johanns-Vorstadt 89.

Die Theorie Totentanz setzt sich durch

Alleine die Tatsache dass viele einfache Leute auf der Rheinseite wohnten macht noch keine Verbindung zum Haus Totentanz 2. Diese Verbindung fand Liebrich allerdings im Eigentümer des Hauses. Als der neugeborene Johann Peter getauft werden sollte, waren zu seinen Paten zwei Onkel bestimmt worden. Zum einen väterlicherseits Johann Peter Hebel aus Simmern. Zum anderen mütterlicherseits Georg Oertler von Hausen. Beide Pantenonkel konnten aber nicht zu Taufe erscheinen.

Aus diesem Grund waren die Eltern genötigt zwei Ersatzpaten beizubringen. Es waren dies Schuhmachermeister Friedrich Lüdin und Schneidermeister Nicolas Riedmann. Letzterer war der Besitzer des Hauses Totentanz 2. Riedmann trat als stellvertretender erster Pate zu St.Peter vor das Taufbecken. Der Gefälligkeitsdienst den er damit leistete, lässt auf eine nähere Beizehung zu den Hebels schliessen. Und ihm gehörte das zweite Haus vor dem Schwibbogen.

Die von Fritz Liebrich gesammelten Fakten zu Hebels Geburtshaus waren überzeugend. Überzeugender als Theorie vom Geburtshaus in der Neuen Vorstadt, zwei Hausecken vom Schwibbogen entfernt. Zwei Jahre nachdem Liebrich seine Erkenntisse in publiziert hatte, bekam die Gedenktafel von 1871 einen neuen Platz. Zum 168. Geburtstag Hebels wurde am 10. Mai 1928 die Tafel am seither offiziellen Geburtshaus des Dichters am Totentanz 2 angebracht.
[22]

Zusammenfassung

Über sein Geburtshaus äusserte der Mundartpoet Johann Peter Hebel sich im Laufe seines Lebens wiederholt in Briefen. Er bezeichnete es als das zweite Haus vor dem 1873 abgerissenen St.Johann-Schwibbogen, gelegen "in der Santehans". In der Familie von Pfarrer Daniel Krauss-Bachofen wurde eine Überlieferung gepflegt. Ihr zufolge habe der Pfarrer als Zeitgenosse Hebels von diesem selbst das Geburtshaus bezeichnet bekommen. Es habe in der Neuen Vorstadt gelegen.

Diese Überlieferung wurde 1861 zur Basis für die offizielle Anerkennung dieses Hauses als Geburtsstätte Hebels. Am 10. Mai dieses Jahres wurde an dieser Liegenschaft (später Hebelstrasse 3) eine vom Basler Glockengiesser Johann Jakob Schnegg gefertigte Gedenktafel angebracht. Sie sollte fortan das Geburtshaus bezeichnen. Über der mündlichen Überlieferung lagen immer leichte Zweifel, zumal niemand mehr lebte der sie hätte bezeugen können.

Im Juni 1871 erfolgte die lange geforderte Umbenennung der Neuen Vorstadt in Hebelstrasse. Damit wurde die Theorie vom dortigen Geburtshaus äusserlich gefestigt. Zweifel müssen aber noch immer bestanden haben. Daher versuchte im Basler Jahrbuch 1901 der Hebelforscher Albert Gessler, unter anderem mit Auslegungen eines Brieftexts des Dichters, zu belegen dass dessen Geburtshaus die 1888 abgerissene Liegenschaft Hebelstrasse 3 gewesen sein musste.

Gesslers Auslegungen zum Geburtshaus Hebels erwecken jedoch den Eindruck, als seien sie sehr stark darum bemüht die offiziell gewordene Überlieferung aus der Familie Krauss zu untermauern. Es macht nicht den Eindruck, als habe Gessler objektiv das Geburtshaus gesucht. Abenteuerlich mutet insbesondere die Schlussfolgerung Gesslers an, Hebels relativ klare Aussage zum zweiten Haus von dem Schwibbogen auf die zwei Ecken entfernte Hebelstrasse zu deuten.

Der Lehrer Fritz Liebrich stellte eigene Forschungen zu Hebel in Basel an. Dabei befasste er sich in einem 1926 erschienen Buch eingehend mit der Frage des Geburtshauses. Aus gesammelten Erkenntnissen folgerte er, dass dieses Haus am Totentanz 2 gelegen hatte. Ein Indiz war dabei auch die Tatsache, dass 1760 der erste Ersatzpate Hebels der Hausbesitzer und Schneidermeister Nicolas Riedmann war. Leibrichs Theorie überzeugte, und so wechselte die Gedenktafel 1928 an den Totentanz.


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Beitrag erstellt 02.03.10 / Flüchtigkeitsfehler so wie Schreibweise Name (Anmerkung 20) korrigiert 03.01.11

Anmerkungen:

[1] Bilderläuterung 29, in Abschnitt "Bilderläuterungen", publiziert in Johann Peter Hebel Werke, Band 2, Frankfurt am Main, 1968, Seite 460

[2] Bilderläuterung 29, in Abschnitt "Bilderläuterungen", publiziert in Johann Peter Hebel Werke, Band 2, Frankfurt am Main, 1968, Seite 461

[3] J.P. Hebel, Brief 135, in Abschnitt "Briefe", publiziert in Johann Peter Hebel Werke, Band 2, Frankfurt am Main, 1968, Seite 376

[4] J.P. Hebel, Brief 163, in Abschnitt "Briefe", publiziert in Johann Peter Hebel Werke, Band 2, Frankfurt am Main, 1968, Seite 402

[5] K. Gauss, Basilea Reformata, Basel, 1930, Seite 97 (biographischer Beitrag zu Daniel Krauss I)

[6] F.A. Stocker, Beitrag "28. Das Hebel-Haus", publiziert in Basler Stadtbilder - Alte Häuser und Geschlechter, Basel, 1890, Seite 291

[7] A. Gessler, Beitrag "Hebelhaus und Hebeldenkmal", publiziert im Basler Jahrbuch 1901, Basel, 1901, Seite 224

[8] A. Gessler, Beitrag "Hebelhaus und Hebeldenkmal", publiziert im Basler Jahrbuch 1901, Basel, 1901, Seite 225

[9] A. Gessler, Beitrag "Hebelhaus und Hebeldenkmal", publiziert im Basler Jahrbuch 1901, Basel, 1901, Seite 228

[10] F.A. Stocker, Beitrag "28. Das Hebel-Haus", publiziert in Basler Stadtbilder - Alte Häuser und Geschlechter, Basel, 1890, Seiten 291

[11] A. Gessler, Beitrag "Hebelhaus und Hebeldenkmal", publiziert im Basler Jahrbuch 1901, Basel, 1901, Seite 211

[12] A. Gessler, Beitrag "Hebelhaus und Hebeldenkmal", publiziert im Basler Jahrbuch 1901, Basel, 1901, Seite 232

[13] A. Gessler, Beitrag "Hebelhaus und Hebeldenkmal", publiziert im Basler Jahrbuch 1901, Basel, 1901, Seite 226

[14] F. Liebrich, Abschnitt "Z'Basel an mym Rhy", publiziert in J.P. Hebel und Basel, Basel, 1926, Seite 20

[15] A. Gessler, Beitrag "Hebelhaus und Hebeldenkmal", publiziert im Basler Jahrbuch 1901, Basel, 1901, Seite 227

[16] J.P. Hebel, Brief 156, in Abschnitt "Briefe", publiziert in Johann Peter Hebel Werke, Band 2, Frankfurt am Main, 1968, Seite 398

[*] Der "alte Knab im Schaf" war nach Fritz Liebrichs Forschungen gemäss der wohlhalbende Küfer Johann Rudolf Stückelberger (1749-1827), der als Basler Original galt. Er kaufte 1777 das Haus zum Schaf um an seiner Stelle den heute noch existierenden Barockbau "Zum Lamm" Rebgasse 16 zu erbauen. Dieser alte Knabe machte täglich einen Spaziergang nach Weil zu einem Schoppen Wein. In diesem Sinne wollte Hebel wohl alle Tage nach Weil zu Gustave Fecht kommen. Siehe dazu:

F. Liebrich, Abschnitt "Ausklang", publiziert in J.P. Hebel und Basel, Basel, 1926, Seite 112

T. Lutz, Beitrag Rebgasse 16/alt 192, Zum Schaf, Abschnitt Rebgasse, rechte Seite, publiziert in Kunstdenkmäler des Kantons Basel Stadt, Band 6, (Altstadt Kleinbasel), Bern, 2004, Seite 380 Spalte 1

[17] F. Liebrich, Abschnitt "Z'Basel an mym Rhy", publiziert in J.P. Hebel und Basel, Basel, 1926, Seite 20

[18] H.G. Iselin, Beitrag "Johann Jakob Iselin-Ryhiner", publiziert in Seit 600 Jahren in Basel - Lebensbilder aus der Familie Iselin, Basel, 1964, Seite 65

[19] F. Liebrich, Abschnitt "Z'Basel an mym Rhy", publiziert in J.P. Hebel und Basel, Basel, 1926, Seite 15

[20] Zur Schreibweise des Mädchennamens von Hebels Mutter - A. Gessler, Beitrag "Hebelhaus und Hebeldenkmal", publiziert im Basler Jahrbuch 1901, Basel, 1901, Seite 214, Anmerkung 1. Gessler vertritt die Meinung das "Oertlerin" die korrekteste Schreibweise sei. Dem widerspricht Liebrich, der "Oertlin" beziehungsweise "Örtlin" den Vorzug gibt.

[21] M. Sabatino, Unterabschnitt "2.2. Die Hümpeler und die Fischergesellschaft zu St.Johann", in Abschnitt "2. Die Anfänge einer Vorstadtgesellschaft", publiziert in Die Vorstadtgesellschaft zur Mägd, von den Anfängen bis zur Gegenwart, Basel, 1998, Seite 25

[22] H.L. Freyvogel, "Basler Chronik vom 1. Oktober 1927 bis 30. September 1928", publizert im Basler Jahrbuch 1929, Basel, 1928, Seite 372


Quellen:

H.L. Freyvogel, Basler Jahrbuch 1929, herausgegeben von August Huber und Ernst Jenny, Verlag Helbing & Lichtenhahn, Basel, 1928, Seite 372

Karl Gauss, Basilea Reformata, Verlag der Historischen und Antiquarischen Gesellschaft, Basel, 1930, Seite 97

Albert Gessler, Beitrag "Hebelhaus und Hebeldenkmal", publiziert im Basler Jahrbuch 1901, herausgegeben von Albert Burckhardt, Rudolf Wackernagel und Albert Gessler, Verlag von R. Reich, Basel, 1901, Seiten 211, 224 bis 228, 232

Johann Peter Hebel, Johann Peter Hebel Werke, Band 2, herausgegeben von Eberhard Meckel, Insel Verlag, Frankfurt am Main, 1968, Seiten 376, 398, 402, sowie 460 bis 461

Fritz Liebrich, J.P. Hebel und Basel, Verlag Helbing & Lichtenhahn, Basel, 1926, Seiten 15, 20 und 112

Hans Georg Iselin, Beitrag "Johann Jakob Iselin-Ryhiner", publiziert in Seit 600 Jahren in Basel - Lebensbilder aus der Familie Iselin, herausgegeben von Gustav Adolf Wanner, Verlag Helbing & Lichtenhahn, Basel, 1964, Seite 65

Thomas Lutz, Beitrag Rebgasse 16/alt 192, Zum Schaf, publiziert in Kunstdenkmäler des Kantons Basel Stadt, Band 6, (Altstadt Kleinbasel), herausgegeben von der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Bern, 2004, ISBN 3-906131-78-5, Seite 380 Spalte 1

Mario Sabatino, Die Vorstadtgesellschaft zur Mägd, von den Anfängen bis zur Gegenwart, herausgegeben durch E.E. Vorstadtgesellschaft zur Mägd, o.V., Basel, 1998, Seite 25

Franz August Stocker, Beitrag "28. Das Hebel-Haus", publiziert in Basler Stadtbilder - Alte Häuser und Geschlechter, H. Georg's Verlag, Basel, 1890, Seite 291

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