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Das steinerne Basel


Herr T. / 31.Januar 2006:

Lieber Briefkastenonkel,

Wieso hat es eigentlich an zahlreichen Innerstadthäusern (Durchgang Schifflände, Drei-König-Gebäude, Globus Marktplatz, Rathaus, Hauptpost Freienstrasse, Bachmann Gerbergasse etc) diese zum Teil sehr gefürchtigen Steinfratzen?



Antwort von altbasel.ch:

Steinerne Darstellungen aller Arten wie Fratzen, Figuren und dergleichen gehen einerseits auf die im Mittelalter gängige Tradition der Hauszeichen zurück. Hauszeichen und Hausnamen hatten einst eine ähnliche Funktion wie heute Hausnummern - sie ermöglichten etwa einer ortsunkundigen Person ein Haus auf einen Blick zu idendifizieren. Ein Beispiel für ein solches Hauszeichen ist heute am Haus "zum Haupt" an der Schneidergasse 28 schön zu sehen.

Das Haus erhielt in der Renaissance ein Sandsteinrelief welches sinngemäss einen bärtigen Kopf mit rausgestreckter Zunge zeigt. Das Haus zum Haupt ist somit durch ein Männerhaupt erkennbar. Dieses Relief ist übrigens erst seit einigen Jahren wieder zu sehen, denn es wurde bei archäologischen Untersuchungen 2000/01 im Hinterhof gefunden, begraben unter altem Bauschutt. Es war offenbar irgendwann von der Fassade entfernt und so entsorgt worden.

Eine sinngemässe Verbindung zwischen Hauszeichen und Hausname gibt es auch am Schlüsselberg 3 zu entdecken. Dort blickt über dem Portal der geflügelte Markuslöwe golden und grimmig auf den Betrachter hinab. Das Fabelwesen ist das Symbol Venedigs. Er schreitet auf dem Relief aus dem 15.Jh gleichsam über Wasser und Land, und verdeutlich damit den Herrschaftsanspruch der mittelalterlichen Republik. Der stolze Markuslöwe ist kaum zufällig hier.

Goldener Markuslöwe am Haus zum Venedig, Schlüsselberg 3

markusloewe

Das Haus an dem das Relief zu sehen ist heisst nämlich "zum Venedig". Der Hausname stammt aus der zweiten Hälfte des 15.Jh, als sich offenbar venezianische Handelsherren darin niederliessen. Der Platz lag zum einen nahe dem alten Kaufhaus an der Freien Strasse (wo heute die Hauptpost steht) und zum anderen unweit des Hauses zur Mücke welches 1475 vom Rat gekauft wurde um es als Tuchhalle zu nutzen. Also zwei wichtige Stätten des Handels in der Nähe.

Das Haus zum Venedig mit seinem auffälligen und eindeutigen Hauszeichen war für einen Fremden der dieses Haus suchte schon von der Freien Strasse aus gut zu sehen. Eine andere bildliche Darstellung in Stein findet man an der Eisengasse 14 am Geschäftshaus "zum Tanz". An seiner Stelle stand einst das Haus zum Tanz welches um 1520 vom berühmten Maler Hans Holbein mit Fresken bemalt worden sei, die sinngemäss eine Tanzszene darstellten.

Hebt man heute an der Eisengasse 14 den Blick an der Fassade hinauf zur Balkonbrüstung im dritten Stock, so erkennt man ein Fassadenfries aus Rufacher Muschelkalkstein, darstellend einen Bauerntanz. Das Relief wurde beim Bau des Geschäftshauses 1908/09 als kleine Hommage an das verschwundene Haus zum Tanz mit seinen Malereien angebracht. Auch hier an der Eisengasse steht die steinerne Darstellung in direktem Zusammenhang mit dem Namen des Hauses.

Eine veritable Fratze in Stein gibt es ganz in der Nähe zu entdecken, nämlich am Block Schifflände 1 bis 3. Es wurde 1914/15 im Auftrag der Basler Baugesellschaft von Hans Bernoulli erbaut. Am 1914 vollendeten Haus Schifflände 1 sind an der Ecke zur Rheinbrücke hin zwei Lällekönige zu sehen. Einer in Stein als Hauszeichen mit der Jahreszahl 1914. Ein anderer direkt über dem Eingang als bewegliche Maske nach einem Entwurf von Resa Blattner.

In dem Jahr als der Lällekönig am Haus erschien wurde dort auch das Restaurant "Lällekönig" eröffnet. Heute gibt es wieder ein gleichnamiges Restaurant in diesem Haus. Die beiden Lällekönige erinnern an einen Vorgänger der seit dem 17.Jh am 1839 abgerissenen Rheintor prangte und seine bewegliche Zunge Richtung Kleinbasel streckte. Dieser Königskopf war dort etwa um 1642 als Zierwerk ohne Bezug zum Name des Tors erschienen.

Das Gedenken an diesen originellen Königskopf am Rheintor wird aber nicht nur an der genannten Liegenschaft Schifflände 1 gepflegt. Eine steinerne Kartusche am Haus "zur Rheinbrücke" an der Eisengasse 1 zeigt ebenfalls einen schnauzbärtigen Lällekönig mit offenem Mund und herausgestreckter Zunge. Er hat keinen Bezug zum Namen des Hauses sondern dient nur zur Zierde. Zierwerk ohne Bezug zum Hausname findet man ebenfalls am Block Marktplatz 17 bis 19.

Das Ensemble am Marktplatz, zwischen Hutgasse und Sattelgasse, entstand zwischen 1909 und 1914 unter der Mitwirkung mehrerer Architekten (was der Liegenschaft heute noch deutlich anzusehen ist). An der Ecke zur Sattelgasse befindet sich eine Eckkonsole über der abschliessenden Arkadenpartie, die zwei Putten zeigt von denen der eine ein Schlachtermesser und der andere ein Schlachterbeil hält. In dieser Ecke des Blocks gab es einst eine Metzgerei.

Relief über dem Eingang der Confiserie Schiesser, Marktplatz 19

marktplatz 19

Heute befindet sich dort ein Geschäft für Raucherwaren, womit das Relief auf der Konsole seines Sinns beraubt wurde. Ein paar Schritte weiter, noch immer in jenem Teil des Blocks der die Hausnummer 19 trägt, stösst man auf die altehrwürdige Confiserie Schiesser. Hier kann man über dem Eingang ein hübsches Relief sehen das einen Bäckerlehrling darstellt, der einem Mädchen mit Puppe ein Tablett mit Köstlichkeiten anbietet.

Während also die letzten beiden Beispiele steinerner Darstellungen einen Bezug zum Gewerbe haben das im selben haus ausgeübt wurde, findet man beim grimmigen Löwen am Schlüsselberg 3 eher eine Verbindung zu früheren Hausbewohnern. Derweil haben wir um die Schifflände drei Lällekönige die reine Zierde mit Bezug zu einem verschwundenen Bauwerk sind. Das Relief am Haus zum Tanz bezieht sich wiederum als Werk des 20.Jh ebenso auf den Hausnamen wie die Männerfratze am Haus zum Haupt.

Ich hoffe mit diesen wenigen herausgegriffenen Beispielen den Hintergrund des von Ihnen angesprochenen "steinernen Basel" etwas erleuchtet zu haben. Hinter jeder Steinfratze und jedem Relief steht eine eigene Geschichte und eine besondere Bedeutung. Während das eine lediglich Zierwerk ist, kann das andere etwas zur Geschichte des Hauses erzählen.




Literatur:

E. Blum und Th. Nüesch, Basel Einst und Jetzt, Eine kulturhistorische Heimatkunde, 1913, Verlag Hermann Krüsi, Seiten 66 und 67

Jahresbericht 2001 der Archäologischen Bodenforschung BS, 2003, Tätigkeitsbericht, ISBN 3-905098-35-0/ISSN 1424-4535, Seiten 56 und 59

Rolf Brönnimann, Basler Bauten 1860-1910, 1973, Verlag Helbing & Lichtenhahn, ISBN 3-7190-0624-7, Seite 168

Othmar Birkner/Hanspeter Rebsamen, Inventar der neueren Schweizer Architektur 1850-1920: Basel, 1986, Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Seiten 144, 178, 180 und 208

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