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Das Basler Cabaret (Kabarett) Kikeriki in der Safran-Zunft



Herr G. / 08.November 2008:

Es ist sicher zirka fünfzig Jahre her. Damals gab es ein Kabarett das in der Safranzunft sein Domizil hatte. Mit fällt der Name nicht ein. Im Internet habe ich darüber auch keine Informationen gefunden. Wissen Sie eventuell etwas darüber?


Antwort von altbasel.ch:

Zuerst muss ich mich dafür entschuldigen dass es fast ein Vierteljahr gedauert hat, um ihnen eine Antwort zu liefern. Aber erst vor einigen Tagen fand ich endlich ein Buch zum Thema, welches ich schon lange gesucht hatte. Doch hier nun die Angaben die ich aus dem Buch und anderorten zusammentragen konnte.

Das Basler Cabaret Kikeriki

Der unlängst verstorbene Cabarettist Hanspeter Keiser, bekannter als César Keiser (1925-2007) widmete in seinem Buch "Herrliche Zeiten 1916-1976 - 60 Jahre Cabaret in der Schweiz" dem Cabaret Kikeriki ein eigenes kleines Kapitel. Dies verwundert nicht, gehörte Keiser doch zu den Gründern des um 1947 entstandenen Kleinkunst-Ensembles. Das Stammlokal dieses Basler Laiencabarets sei die Safran-Zunft gewesen.

zunfthaus

Das Zunfthaus E.E. zu Safran in Basel beherbergt noch heute das Restaurant Safran-Zunft. Hier war zum Ende der 1940er Jahre das Basler Cabaret Kikeriki heimisch.

Es war eine Handvoll junger Herren, die nach dem Zweiten Weltkrieg neben der Gewerbeschule humorvolle Einlagen und Chansons zum Auftritt an einem Ball erarbeiteten. Unter ihnen waren neben Keiser und Steff Elias auch der aus Binningen stammende Künstler Ferdi Afflerbach (1922-2005), der 1950 seine erste von drei Basler Fasnachtsplaketten entwerfen sollte und auch als Laternenmaler und als Schnitzelbänkler fasnächtlich wirkte.

Afflerbach hatte eigentlich Rechtswissenschaften studiert. Seine Neigungen bewogen ihn jedoch dazu die Selbständigkeit als Grafiker anzustreben. Sein Talent offenbarte sich immer wieder in den durch ihn gestalteten Bühnenbildern. Zu den Gründervätern des Kikeriki gehörte auch der angehende Grafiker Hanspeter Hort (geb.1924). Seine Werbeplakate für Fricker-Schuhe sind noch weithin in Erinnerung.

Wie Afflerbach ging auch Hort in den Olymp jener Künstler ein, die eine Fasnachtsplakette entworfen hatten. Sein Werk hing 1956 unter dem Motto "S' het e Nase" an den Basler Revers. Mit Otti Rehorek (geb.1922) bereicherte ein weiterer Urfasnächtler das Ensemble. Er erlangte ebenfalls als Grafiker und Künstler Bekanntheit. Legendär wurde er jedoch wegen seines über dreissigjährigen Wirkens als Stadionsprecher des FCB im Joggeli.

Das Ensemble wächst

César Keiser selbst hatte damals gerade die Matur absolviert und machte sich an eine Ausbildung zum Zeichenlehrer. Das junge Basler Ensemble trat bei verschiedenen Anlässen als unterhaltsame Beilage auf, und erlangte prompt eine gewisse Popularität. Als Cabaret Kikeriki wurden sie zu einer gleichermassen frechen wie spitzen Neuheit in der Cabaretszene. Zu ihnen stiess bald Werner Wollenberger (1927-1982) als Texter.

Die Feder des in Heilbronn geborenen Germanistikstudenten schrieb ab August 1947 für das Cabaret Kikeriki, bis er später mit anderen Mitgliedern des Ensembles zum Cabaret Fédéral in Zürich stiess. Wollenberger sollte ab nun der tragende Texter des Kikeriki sein. Er gab dem Cabaret der Nachkriegszeit wichtige Impulse. Ihm zu Seite stand Keiser, der für zahlreiche Texte des Ensembles verantwortlich zeichnete.

Unter jenen die manchmal für das Kikeriki schrieben war auch Max Werner Lenz (1887-1973). Dieser Veteran des Cabaret hatte schon für das 1934 entstandene Cabaret Cornichon in Zürich geschrieben. Zum Ensemble kam nun auch die Schauspielerin Trudi Roth. Sie spielte später unter anderem im Kabarett Kom(m)ödchen in Düsseldorf. Als verschrobene Tante Martha kennen sie seit 1994 viele Fernsehzuschauer aus "Fascht e Familie".

Das Cabaret wurde 1948 durch den Jura-Studenten Jürg Spahr (1925-2002) verstärkt. Aufgewachsen war er in Sizilien als Sohn von Auslandschweizern. In der Zeit des Zweiten Weltkriegs kehrte die Familie zurück in die Schweiz. Die Publikation erster Cartoons 1943 liess seine kommende Karriere ahnen. Er wurde als Karikaturist berühmt und war 1978 bis 1995 Kurator des Karikatur & Cartoon Museum in der St.Alban-Vorstadt.

Als Cartoonist arbeitete Spahr unter den Kürzel "Jüsp". Aber vor dieser Laufbahn kannte man ihn im Cabaret Kikeriki unter dem italienisch inspirierten Namen Pietro Sparr. Das Cabaret erlangte schon mit den ersten Programmen Bekanntheit. 1950 ging es auf Tourneé in Deutschland. In jener Zeit begann Wolf Barth (geb.1926) für das Kikeriki Bühnenbilder zu malen. Seit 1946 leitete er Mal- und Zeichenkurse in der Klubschule Basel.

Er arbeitete später auch für das Cabaret Féderal in Zürich, ebenso wie für das Kom(m)ödchen in Düsseldorf, wohin es Trudi Roth zog. Die Tourneé in Deutschland machte unter anderem auch die Schauspielerin Elisabeth Schnell (geb.1930) mit. Sie sollte später nationale Berühmtheit als Moderatorin bei Schweizer Radio DRS erlangen. In den 60er und 70er Jahre hörte man sie etwa mit Ueli Beck im beliebten "Nachtexpress".

Der Basler Hahn verstummt

Das Jahr 1950 wurde zum Wendepunkt für das Cabaret Kikeriki. Im Hotel Hirschen im Zürcher Niederdorf stand die Wiege des 1949 gegründeten Cabaret Federal. Auf der Bühne des Hirschen gab das Kikeriki aus Basel ein vielbeachtetes Gastspiel. Die Zürcher Presse sprach von einem kaum bekannten Nachwuchsteam, das sich ganz unverhofft in die vordersten Ränge der satirischen Kleinkunstbühnen gespielt hätte.

Otto Weissert (1903-1969) war 1934 schon Mitgründer der Cabaret Cornichon. Als Vater des neuen Cabaret Federal hatte er nun das Basler Nachwuchsensemble ins Auge gefasst. Da für das ersten Programm des Federal auch Werner Wollenberger und César Keiser Texte beigesteuert hatten, wusste er um die Qualität aus Basel. Im Laiencabaret Kikeriki hatte er Talente entdeckt, die er in seinem professionellen Federal haben wollte.

Erneut verliess das Kikeriki 1951 die Basler Safran-Zunft um ein zweites Mal im Zürcher Hirschen zu gastieren. Es sollte das letzte Gastspiel sein. Bereits zuvor hatten César Keiser und Trudi Roth sich dazu entschlossen Cabaret zu ihrem Beruf zu machen. Dafür brauchten sie feste Engagements. Die Auflösung des Kikeriki war besiegelt. Otto Weissert offerierte den Baslern vertragliche Engagements. Ein letztes Mal erntete das Kikeriki Lorbeeren.

Das Gastspiel 1951 in Zürich stiess bei der NZZ auf positive Resonanz. Die Kritik schrieb zum Programm von einer lückenlosen Reihe ausschliesslich guter Nummern. Dem Kikeriki wurde als baslerischem Team ein Platz unter den besten schweizerischen Ensembles zugesprochen. Bekanntlich soll man Abschied nehmen wenn es am schönsten ist. So verstummte der Basler Cabaretgüggel aus der Safranzunft inmitten des Erfolgs.

Zusammen mit Werner Wollenberger zogen Trudi Roth und César Keiser in den Hirschen, um fortan für das Cabaret Federal auf die Bühne zu treten. Auch Wolf Barth packte in Basel seine Malutensilien um in Zürich weiter zu wirken. Ein letztes Mal krähte der Hahn 1974 auf. In der vollbesetzten Safran-Zunft gab das nochmals versammelte ehemalige Ensemble eine einzige einstudierte Vorstellung, in Erinnerung an die vergangenen Zeiten des Kikeriki.

Zusammenfassung

Das Cabaret Kikeriki entstand um 1947 als Laienensemble zu dem sich einige Basler Gewerbeschüler und angehende Berufsmänner vereinigt hatten. Laut César Keiser waren die Gründer Steff Elias, Ferdi Afflerbach und Hanspeter Hort und Otto Rehorek, die drei letzteren angehende Grafiker. Auch Keiser gehörte als ausgebildeter Zeichnungslehrer dazu. Das Kikeriki trat anfänglich bei verschiedenen Anlässen als humoristische Einlage auf.

Rasch erarbeitete sich das junge Ensemble aber einen guten Ruf und wurde durch weitere Mitglieder verstärkt. Unter jenen die im Laufe der Zeit beim Kikeriki mitwirkten waren unter anderem der später bekannte Karikaturist Jürg Spahr, die Schauspielerin Trudi Roth, die spätere Radiomoderatorin Elisabeth Schnell oder auch die Cabaret-Autoren Max Werner Lenz und Werner Wollenberger sowie der Maler und Zeichner Barth Wolf.

Das Stammlokal des Cabaret Kikeriki war das Restaurant Safran-Zunft in Basel. Wiederholt ging das Ensemble von dort aus auf Tournee, so etwa 1950 nach Deutschland und nach Zürich. Das Gastspiel in Zürich fand im Restaurant Hirschen im Niederdorf statt. Dort trat seit 1949 das neu gegründete Cabaret Federal auf. Dieses stand unter der Leitung von Otto Weissert, der nach dem Niedergang des Cabaret Cornichon zu neuen Ufern strebte.

Die Zürcher Gastspiele des Kikeriki 1950/51 bekamen gute Kritiken, etwa von der NZZ. In der Zwischenzeit hatte das Ensemble seine Auflösung beschlossen. Einige Mitglieder wie Trudi Roth und César Keiser suchten eine berufliche Laufbahn im Cabaret. Andere wie Jürg Spahr oder Ferdi Afflerbach arbeiteten weiter in grafischen Berufen. Mit der Auflösung des Cabaret Kikeriki schlossen einige seiner Mitglieder dem Cabaret Federal an.


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Beitrag erstellt 04.02.09 / Textänderung 14.02.10 wegen einer unautorisierten Spiegelseite (Kopie) dieses Beitrags im Internet

Quellen:

primär genutzte

César Keiser, "Vom Cabaret Kikeriki zum Cabaret Federal", publiziert in Herrliche Zeiten 1916-1976 - 60 Jahre Cabaret in der Schweiz, Bern, 1976, Benteli Verlag, ISBN 3-7165-0085-2, Seiten 87 bis 90

sekundär genutzte

Corina Christen, Basler Fasnachtsplaketten, Basel, 2006, Friedrich Reinhard Verlag, ISBN 978-3-7245-1418-3, Seiten 78, 90, 102 und 144

César Keiser, "In Memoriam Ruedi Walter", Nachruf, publiziert im Basler Stadtbuch 1990, Basel, 1991, Christoph Merian Verlag, ISBN 3-856-16-041-8, Seite 94, Spalte 1

Carl Miville-Seiler, "Wir trauern um unseren César Keiser", Nachruf, publiziert in der Sperberzeitung 2/2007, herausgegeben vom Sperber-Kollegium, Basel, 2007, Seite 1

o.A., "In Memoriam Jüsp", Artikel zu Gedenkausstellung, publiziert in der Volksstimme Sissach, Nr.44, 12.April 2002, Sissach, 2002, Schaub Medien AG, Seite 5

o.A., Michael Wolgensinger, Fotograf (1913-1995), Verzeichnis von Fotographien von Cabarets und Kleintheatern, Stadtarchiv Zürich VII.271., Seiten 1 und 6

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