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fragen zum alten basel
Der Aeschen-Schwibbogen



Frau Z. / 18.September 2005:

Wenn ich bei meinen Recherchen nicht mehr weiter weiss, so suche ich auf Ihrer homepage weiter! Leider bin ich nun aber nicht fündig geworden betreffend einer alten Adresse von 1847: beim Aeschen Schwibbogen 1055.

Können Sie mir sagen an welcher heutigen Strasse der Schwibbogen lag? Im Adressbuch von 1862 konnte ich die No 1055 nicht finden. Ich danke Ihnen herzlich für Ihre Hilfe und Information, die ich dann gerne wieder unter "Tore" vorfinden kann.


Antwort von altbasel.ch:

An der alten Hausnummer 1055 befand sich im Jahr 1847 der Schilthof. Das heute noch existierende Gebäude am oberen Ende der Freien Strasse entstand 1840/42. Der Bauherr Johann Rudolf Forcart-Hoffmann (1800-1860) erwarb mit dem Nachbargrundstück Hausnummer 1056 zusätzliches Bauland für das Projekt. Die älteren Gebäude an dieser Stelle mussten dem Neubau weichen.

der aeschenschwibbogen um 1840 auf einer alten grafik

Der Schwibbogen um 1840 von der Aeschenvorstadt her. Links Einmündung zum Steinenberg; hinter dem Torbogen die obere Freie Strasse | Kreidelithogaphie von Heinrich Mauerer nach Peter Toussaint (Sammlung altbasel.ch)

Der Beschluss, das einstige Stadttor "Aeschen-Schwibbogen" an der heutigen Ecke Freien Strasse / St.Alban-Graben, abzubrechen, machten das Bauprojekt erst möglich. Standen die Vorgängerhäuser noch beim Schwibbogen, hatte ihn der neue Schilthof mehr zum Nachbarn, da er vorher abgebrochen worden war. Die Bezeichnung "beim Aeschen Schwibbogen" ging als Tradition auf den Neubau über.

Es gibt an der nahen Rittergasse 33 ein analoges Beispiel für einen solchen Hausnamen. Dort ist die Bezeichnung "By dem Kunos Thor" zu lesen, die sich auf dem 1878 abgerissenen St.Alban-Schwibbogen bezieht. Während der diesem einstigen Tor die St.Alban-Vorstadt lag, erstreckte sich vor dem Aeschen-Schwibbogen, als er noch als Stadttor genutzt wurde, die Aeschen-Vorstadt.

Der Aeschen-Schwibbogen ist erstmals 1261 als "Eschmertor" urkundlich erwähnt. Damals diente er noch als Tor in der alten Stadtmauer und bewachte den Eingang zur Freien Strasse. Der Name könnte auf einen Torhüter oder eine nahe wohnende Person namens Eschmar zurückgeführt werden. Vor der Stadtmauer wuchs im 13./14. Jahrhundert ein neues Quartier; die Aeschenvorstadt.

Als nach dem Erdbeben 1356 eine neue und grössere Stadtmauer um Grossbasel gezogen wurde, verlor die alte innere Mauer ihre Funktion. Am heutigen Aeschenplatz entstand Damals ein neues Aeschentor während das alte Stadttor zum so genannten Schwibbogen wurde und keine Wehrfunktion mehr wahrnahm. Der Turm wurde danach, wie andere alte Basler Tore, als Gefängnis genutzt.

Für den Aeschen-Schwibbogen ist 1534 eine eigene Turmuhr belegt. Weil im Mauerwerk des Turms ein gefährlicher Riss festgestellt worden war, kürzte man ihn 1544/45 um die Hälfte und versah ihn mit einem Zinnenkranz. Er wirkte dadurch wesentlich gedungener als andere einstige Tore, etwa jenem an der Rittergasse. Nach wie vor diente der verkürzte Turm der Schwibbogens als Haftlokal.

Im Jahr 1546 wurde letztmals mit einem zum Tod verurteilten Mörder ein Schwerkrimineller im Turm festgesetzt. Danach diente der Schwibbogen nur noch als Gefängnis für Verurteilte die weniger Schuld auf sich geladen hatten. Als im 19. Jahrhundert ein neues Untersuchungsgefängnis im Lohnhof eingerichtet wurde, verloren die Schwibbogen auch ihre Gefängnisfunktion.

aeschenschwibbogen um 1841

Der Aeschen-Schwibbogen und links von ihm der Steinenberg, gesehen von der Aeschenvorstadt her. | Nach einer Illustration von 1841

Ende der 1830er Jahren wurde beschlossen, die alte Stadtmauer an der oberen Freien Strasse zu beseitigen und den Stadtgraben aufzufüllen. Dabei musste auch das ehemalige Tor weichen. Zum Preis von 10'020 Franken wurde der Schwibbogen 1840 in private Hand verkauft, mit der Auflage dass er innerhalb von zwei Jahren abzureissen sei. Das Areal sollte mit neuen Häusern bebaut werden.

So wurde zunächst der ehemalige Stadtgraben vor der Mauer aufgefüllt. Dann verschwanden die Steinbrücke vor dem Torbogen und das anstossende Zollerhäuschen. Schliesslich musste 1841 auch der Turm des Aeschen-Schwibbogens fallen. Er wurde abgetragen und an seiner Stelle konnte dieser Abschnitt der Freien Strasse umgestaltet und der neue Schilthof erbaut werden.

Bei Grabungen zum Parkhausbau am St.Alban-Graben wurden 2019 Teile der Kontermauer entdeckt, die zur Stadtbefestigung beim einstigen Tor gehörten. Arbeiten zur Umgestaltung der Freien Strasse brachten 2020 Aushebungen mit sich, bei denen neben Spuren des alten Basler Spitals auch mutmassliche Reste des Schwibbogens an der Einmündung zum St.Alban-Graben gefunden wurden.




Beitrag erstellt 27.09.05 | Ergänzt 19.03.22

Quellen:

Emil Blum / Theophil Nüesch, Basel Einst und Jetzt, Eine kulturhistorische Heimatkunde (Textband), Verlag Hermann Krüsi, Basel, 1913, Seite 3

Simon Graber / Martin Allemann, "2019/03 Steinenberg (A) / Elisabethenstrasse (A), in "Fundchronik Innerstadt", in "Ausgrabungen und Funde im Jahr 2019" publiziert in Jahresbericht 2019 der Archäologischen Bodenforschung des Kantons Basel-Stadt, herausgegeben von der Archäologischen Bodenforschung des Kantons Basel-Stadt, Basel, 2022, ISBN 978-3-905098-67-9, ISSN 1424-4535, Seite 55

Christian Adolf Müller, Die Stadtbefestigung von Basel, Teil 2, 134. Neujahrsblatt der GGG, herausgegeben von der Gesellschaft zur Beförderung des Guten und Gemeinnützigen, Kommissionsverlag Helbing & Lichtenhahn, Basel, 1956, Seiten 13 und 14

Eugen Anton Meier, Basel Einst und Jetzt, 3. Auflage, Buchverlag Basler Zeitung, Basel, 1995, ISBN 3-85815-266-3, Seite 118

Anne Nagel / Martin Möhle, Beitrag "Freie Strasse - Geschichtliche und bauliche Entwicklung", publiziert in Kunstdenkmäler des Kantons Basel Stadt, Band 7, (Altstadt Grossbasel I), 2006, herausgegeben von der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Bern, 2006, ISBN 3-906131-84-X, Seite 402

Anne Nagel, Beitrag "Freie Strasse 90 (ehem. 97, alte Nr. 1055/1056) - Schilthof", publiziert in Kunstdenkmäler des Kantons Basel Stadt, Band 7, (Altstadt Grossbasel I), 2006, herausgegeben von der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Bern, 2006, ISBN 3-906131-84-X, Seite 465

Roman Schmidig, "2020/22 Freie Strasse (A), Etappe 1", in "Fundchronik Innerstadt", in "Ausgrabungen und Funde im Jahr 2020" publiziert in Jahresbericht 2020 der Archäologischen Bodenforschung des Kantons Basel-Stadt, herausgegeben von der Archäologischen Bodenforschung des Kantons Basel-Stadt, Basel, 2021, ISBN 978-3-905098-69-3, ISSN 1424-4535, Seite 54

Rudolf Wackernagel / Rudolf Thommen, Urkunde Nr. 399, Urkundenbuch der Stadt Basel, Band 1, herausgegeben von der Historischen und Antiquarischen Gesellschaft zu Basel, C.Detloffs Buchhandlung, Basel, 1890, Seite 298 (erste Nennung 1261 als Eschmertor)

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